Flumserberg: Entwicklung zur Tourismusdestination

Wer das Skigebiet Flumserberg erst nach der Eröffnung des Resorts kennengelernt hat, weiss vermutlich wenig über dessen bewegte Vergangenheit. Auf dieser Seite veröffentlichen wir in loser Folge ein paar Beiträge über dessen Transportanlagen.

Der Flumserberg wird «erfunden»: Lift Tannenboden – Kreuz (Chrüz)
Skilift Bergheim – Tannenboden
1952 – ein entscheidendes Jahr


Der Flumserberg wird «erfunden»: Lift Tannenboden – Kreuz (Chrüz)

Vor fast genau 75 Jahren wurde der erste Skilift auf dem Flumserberg in Betrieb genommen, jener vom Tannenboden nach Kreuz (heute Chrüz).
Die Talstation stand dort, wo heute das Jolihaus steht, die Bergstation auf der Wiese südwestlich des Gasthauses Chrüz, welches – viel kleiner als heute – schon damals existierte.

Verlauf des Trassees

Der Lift war ein Gurtenlift der Firma Oehler-Aarau. Bei diesen Liften trugen die Skifahrer einen Gurt um die Hüfte, welcher an einer Stange eingehängt war, die man für die Fahrt in das Zugseil einhängte.
In diesem Video bekommt man eine Vorstellung, wie das funktionierte und wie umständlich das alles war.
Allein an der «Anbügelstelle» brauchte es drei Personen. Und noch mindestens ebensoviele, welche den Gästen oben Stange und Gurt abnahmen und dieses Material anschliessend per Ski wieder an die Talstation transportierten. Da die Stangen sich ohne Zug am Seil von diesem lösten, konnten sie nicht am Seil transportiert werden.

Bericht aus der Bauzeitung vom 26.03.1938

Die Skifahrer mussten während der Fahrt den Gurt ständig mit einer Art Klammer zusammenhalten. Wenn man losliess, löste sich dieser. Das diente der Sicherheit – wenn jemand stürzte, wurde er nicht einfach mitgeschleppt. Aber bei der Fahrt war es lästig.
Noch lästiger war der Zwang, die Zugstange immer unter Zug zu halten, da sie sonst am Seil rutschte. Wo es bei Gurtenlift-Trassees hinunter ging, standen deshalb Tafeln mit der Aufschrift «Hier bitte stemmen!». Und das war bei diesem Lift gleich an zwei Orten der Fall.

Wie aus dem Bild der Linienführung ersichtlich, hatte das Trassee einen leichten S-Verlauf. Das liess sich bei diesem Liftsystem einfacher realisieren als bei Bügelliften.

Das Schleppseil war an T-Masten aus Holz aufgehängt. Diese waren nicht allzu stabil, immer mal wieder fiel der Lift aus, weil einer der Masten umgekippt war.
Hier noch ein paar historische Bilder.

Kuriosität am Rande: Die damalige Talstation wurde exakt an die Quartnerseite der Gemeindegrenze gebaut. Denn als die Flumser um eine Baubewilligung angegangen wurden, wollten sie von so neumodischem Zeugs wie Skilifte gar nichts wissen.
Als die ehemalige Talstation 2001 abgerissen und das heutige (deutlich grössere) Jolyhaus errichtet wurde, musste deswegen die Gemeindegrenze um ein paar Meter nach Osten verschoben werden.

Warum ein Gurtenlift gemäss System Oehler?

Oehlerlift mit Knick – hier mit Portalstützen aus Holz

Der erste «richtige» Skilift weltweit war der Bolgenlift von 1934 in Davos,
gebaut nach dem System Constam. Solche Anlagen wurden später von vielen Firmen zu Hunderten gebaut. Gemeinsam war/ist diesen der Doppelbügel und die als Portalstütze ausgeführten Träger der Rollenbatterien. Die andern Systeme benutzten meist die heute im Seilbahnbau üblichen T-Masten.
Der Constam-Lift war den andern Konstruktionen überlegen, darum hat er sich durchgesetzt. Warum entschloss sich der Flumserberg-Pionier Joli für einen Gurtenlift?
Vielleicht weil der Erfinder dieses Systems, Beda Hefti, ein Glarner war, der in Walenstadt aufgewachsen und somit quasi ein Einheimischer war?

Die Bedeutung dieses Lifts für den Flumserberg
Man kann die Bedeutung dieses Liftes gar nicht hoch genug einschätzen – es ist der Startpunkt der Entwicklung des Flumserbergs als Sport- und Tourismusdestination.
Der Vergleich der beiden Kartenausschnitte zeigt (ca. 1955 und 2020), wie sich der Flumserberg seither verändert hat.
In den 40er Jahren gab es dort oben ein paar Ställe und ein paar Kurhäuser; auf Quartnerseite zB. das Alpina und das ehemalige Molkenkurhaus, welches heute den bescheuerten Namen Juhui trägt. Auf der Flumserseite war das heutige Hotel Tannenboden praktisch das einzige Gebäude. In Tannenheim gab es nur wenige Häuser und in Mittenwald ein einziges.

Fast alle vorher errichteten Skilifte wurden in bestehenden Ferienorten wie Davos oder Zermatt errichtet. Der Kreuzlift war einer der ersten, der quasi ‹auf der grünen Wiese› gebaut wurde. Insofern hat er die Aera der «synthetischen» Skidestinationen eigentlich begründet.  (ps)


Skilift Bergheim – Tannenboden

Hier der «Nachruf» auf einem Lift, der ersatzlos abgebrochen wurde: der Skilift Bergheim – Tannenboden. Auf dem Screenshot ist dessen Verlauf ersichtlich.

In der Region können sich viele an den Lift erinnern, sobald es aber um handfeste Daten geht, wird es schwierig. Die bisher glaubwürdigsten Angaben sind: Betriebsbeginn 1949, Betriebseinstellung 1996. Sollten weitere Recherchen andere Angaben liefern, werden wir das korrigieren.
Erbaut wurde er vom umtriebigen Unternehmer Humbert Joly, der 1945 den ersten Flumserberg-Lift überhaupt (Tannenboden – Chrüz) errichten liess.

Sicher ist, dass der Bergheim-Lift einige Male den Besitzer wechselte und vom vorletzten Besitzer, Abraham Bartholet, massiv umgebaut wurde. Dabei wurde die Talstation versetzt (siehe Bild oben, rote Rechtecke). Zwischendurch stand er auch jeweils für zwei Jahre still, zuerst vor der Übernahme durch A. Bartholet (wegen Reparaturbedarf) und dann in den 90er Jahren, weil ein Unwetter die Brücken zerstört hatte.

Zeitweise hatte der Lift in den Tschudiwi(e)sen eine Zwischenstation. Joly liess dort und bei der Bergstation Scheinwerfer anbringen, damit auch bei Dunkelheit gefahren werden konnte – es war einer der ersten Lifte überhaupt, wo Nachtbetrieb möglich war.

Heute ist von den Anlagen nicht mehr viel zu sehen, nur die Bergstation steht noch. Die Talstation wurde vor sieben Jahren zugunsten eines Parkplatzes abgebrochen. Aber wenn man weiss, wo schauen, erkennt man noch den Verlauf des Trassees anhand der kleineren Bäume.  (ps)


1952 – ein entscheidendes Jahr

Anno 1952 wurden gleich zwei wegweisende Lifte in Betrieb genommen: Der Sessellift Kreuz (Chrüz) – Maschgenchamm und der Kombilift Tannenheim – Prodalp.

Sessellift Kreuz (Chrüz) – Maschgenchamm

Bis zur Eröffnung des Sessellifts Kreuz – Maschgenchamm mussten die Skibegeisterten beim Kreuz die Felle anschnallen, wenn sie die Hänge darüber befahren wollten. Dieser Lift erschloss als erster die Gipfelregion – wegweisend für die künftige Entwicklung des Skigebietes.

Es handelte sich um einen Sessellift nach dem System Müller, mit quer aufgehängten Zweiersesseln. Systembedingt mussten die Sessel kuppelbar sein, da auf solche Sessel während der Fahrt nicht auf- oder abgestiegen werden konnte.

Da die Sessel quer zur Fahrtrichtung standen, hatten die Gäste eine freie Aussicht auf die Umgebung, was attaktiv war. Dafür konnte man bei der Fahrt die Ski nicht anbehalten. Und in Sachen Personalaufwand und Transportleistung sind die heute gängigen Sesselbahnen diesem System haushoch überlegen.

Eine Besonderheit war das System, wie die Sessel an des Seil gekuppelt wurden: Die Sessel wurden beim Losfahren an einer Zahnstange vorbeigeführt, die jeweils via Zahnrad an der Kupplung eine Schraube festzog.

 

Eine der letzten dieser Müller-Sesselbahnen war der Gumenlift in Braunwald, der (leider!) vor einigen Jahren ersetzt wurde. Heute wäre sie als Nostalgiebahn ein Publikumsrenner ..

Video der Maschgenchamm-Sesselbahn: ab 1:06 min

Der Kombilift Tannenheim – Prodalp

Der Erfolg des Skilifts auf der Molserseite und die Aufbruchstimmung in den 50er-Jahren weckte das Interesse am Bau weiterer Ski-Transportanlagen. So bildete sich eine Investorengruppe, um die Prodalp-Region zu erschliessen.

Als erster Lift wurde dort der Kombilift Tannenheim – Prodalp gebaut. Ein Kombilift wird im Winter als Skilift und im Sommer als Sessellift betrieben. Damit verdoppelt er die mögliche Betriebszeit und erleichtert so die touristische Erschliessung einer Region für den Sommertourismus.
Sommertourismus: Was von Skiliftbetreibern bis vor wenigen Jahren noch belächelt wurde, wird für diese zunehmend zur Existenzfrage.

Der Lift wurde von der Firma Sameli-Huber aus Meilen gebaut. Die ursprünglichen Holzstützen wurden 1957 durch solche aus Stahl ersetzt.

Ingenieur Henri Sameli-Huber hatte die Patente von Ernst Constam erworben und dessen System weiterentwickelt. Constams Lifte hatten je ein Gehänge für den Bügel und den Aufrollmechanismus. Bei Sameli-Hubers Liften war das zusammengefasst – so funktionieren Skilifte bis heute weltweit.
Sameli-Huber gab den Seilbahnbau 1952 auf: Der Prodalplift war einer seiner letzten Anlagen. Sein Nachfolger wurde der ebenfalls in Meilen ansässige Karl Brändle.


Quelle (Bildmaterial): www.sarganserland-walensee.ch
Das Copyright der historischen Fotografien und Videos liegt bei deren Erstellern. Viele der Aufnahmen dürften von W. Steinemann, FotoKiosk Tannenboden, stammen.