Geschichte der Region

Geschichte des Kantons St. Gallen
Geschichte der Region
(Erd-)Geschichte der Region: Unser UNESCO-Welt-Naturerbe


Geschichte des Kantons St. Gallen
von Peter Straub

Frühe Neuzeit bis 1798 – die Eidgenossenschaft entsteht

St. Gallen ist ein merkwürdiger Kanton, sowohl was seine Form betrifft – er umschliesst die beiden Appenzell komplett – als auch bezüglich seiner Geschichte. Und es ist ein junger Kanton, er wurde erst 1803 auf Druck Napoléons aus der “Konkursmasse” des Ancien Régime zusammengebastelt und der damaligen Schweiz angeschlossen. Noch heute ist das Zusammengehörigkeitsgefühl der einzelnen Regionen eher bescheiden.

Zuerst, so ab Mitte des 14. Jhd., bestand die Eidgenossenschaft aus den Acht Alten Orten (Zürich, Bern, Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Glarus und Zug), dann, ab dem frühen 16. Jhd. zusätzlich aus Freiburg, Solothurn, Schaffhausen, Basel und Appenzell. Die Eidgenossenschaft dieser Dreizehn Alten Orte bildeten keinen Staat im heutigen Sinn, die Orte waren weitgehend unabhängig und nur durch ein Geflecht von Verträgen und Abkommen miteinander verbunden. Die einzigen gemeinsamen Institutionen waren die Tagsatzung (eine Art Delegiertenversammlung) und die in Rotation verwalteten Untertanengebiete, die Gemeinen Herrschaften.

Der heutige Kanton St. Gallen wurde weitgehend aus solchen Untertanengebieten gebildet. In unserer Region waren es die Vogtei Gaster/Windegg, die Glarus und Schwyz gehörte und deren östliche Grenze die heutige Gemeinde Quarten bildete, und die Grafschaft Sargans, die im Besitz der Acht Alten Orte war.
Andere Gebiete gehörten Zürich, Glarus und vor allem der Fürstabtei St. Gallen.
Insgesamt war die Region ein Flickenteppich an Rechten und Abhängigkeiten und glich mehr einer mittelalterlichen Lehensherrschaft als einem Territorialstaat.

1798 bis 1815 – Die Franzosenzeit

Zwischen 1798 und 1814 herrschten die Franzosen, welche der Schweiz 1803 mit der Mediationsakte ungefähr die heutige Form aufzwangen. Neben St. Gallen kamen weitere ehemalige Untertanengebiete sowie das voher unabhängige Gebiet der Drei Bünde, der heutige Kanton Graubünden, dazu.

Massgeblich beteiligt an der Gründung des Kantons St. Gallen war Karl Müller-(von) Friedberg. Seine Familie stammte aus dem Näfelser Patriziat.
Man hat es ihm im (stockkatholischen) Näfels nie ganz verziehen, dass er zum Totengräber der Fürstabtei St. Gallen wurde.

1815 bis 1848 – Restauration und der Umbruch zum Bundestaat

1830 forderten Volksversammlungen eine Verfassung, die den Bürgern mehr Rechte zugestand. Diese neue St. Galler Kantonsverfassung wurde auf kuriose Weise angenommen: Die 12’700 Stimmberechtigten, die sich nicht an der Abstimmung beteiligt hatten, wurden vom Verfassungsrat kurzerhand zu den Annehmenden gezählt.
Diese Verfassung sah ein Gesetzes-Vetorecht für die Bürger vor – das schweiz- wenn nicht weltweit erste direkt-demokratische Element in einer Verfassung!

Noch einmal machte der Kanton Geschichte: An der Bezirkswahlgemeinde vom 02.05.1847 in Schänis gewannen überraschend die Liberalen die Mehrheit. Damit kippten die Mehrheitsverhältnisse zwischen Konservativen und Liberalen im Kantonsparlament – und damit gleichzeitig in der Schweizerischen Tagsatzung: Es war der Startschuss für die Bundesverfassung von 1848, also der modernen Schweiz.
Nicht unerwähnt sollte dabei bleiben: Eine Mehrheit für die Liberalen, ausgerechnet im stockkonservativen Bezirk Gaster, das klappte nur mit massivstem Wahlbetrug.
Einerseits wurden für die Abstimmung Männer aus dem Kanton Glarus herangekarrt, andererseits wurde die Turmuhr der Kirche um eine Stunde vorgestellt. Entsprechend begann die Versammlung zu früh und die Stimmberechtigten aus weiter entfernten Dörfern kamen zu spät an.


Ein Ringzug für den Ringkanton

Seit dem 15.12.2013 fährt stündlich die S4, der Ringzug, in beiden Richtungen rund um den Kanton St. Gallen und bedient dabei auch die Station Unterterzen. Nehmen Sie sich einmal die Zeit und bleiben Sie einfach sitzen: Nach drei Stunden sind Sie wieder am Start. Und in der Zwischenzeit fahren Sie durch eine wunderschöne Voralpenlandschaft.
Mit dem Ringzug hat der Kanton quasi aus einer Not eine Tugend gemacht.

Doch wie kam St. Gallen zu seiner sonderbaren Form, bei der die Mitte, das Appenzellerland, fehlt?
Das Appenzellerland gehörte dem Kloster St. Gallen. Doch gegen Ende des 14. Jhd. verschlechterte sich das Verhältnis der Appenzeller zur Abtei, es kam zu den Appenzellerkriegen, in deren Folge das Gebiet nach und nach unabhängig und später Teil der Eidgenossenschaft wurde. Die übrigen Gebiete jedoch blieben Untertanenland – siehe oben ..


Geschichte der Region
von Peter Straub

Vorzeit und Antike

Wann beginnt Geschichte? Für die Historiker ist es klar: Sobald es erste schriftliche Dokumente gibt. Für die Walensee-Gegend wäre das im Jahr 15. AC.
Der römische Kaiser Augustus hatte seine Stiefsöhne Drusus und Tiberius beauftragt, die keltischen und rätischen Stämme nördlich der Alpen zu unterwerfen.
Dabei rückte die Armee des Tiberius von Gallien nach Osten vor, wobei die Flüsse und Seen der Voralpen für die Logistik genutzt wurden.
Um diese Nachschubwege zu schützen, wurden entlang dieser Route Wachttürme gebaut. Von diesen sind beim Biberlikopf (Ziegelbrücke), beim Römerturm (Filzbach) und in Betlis (Ruine Strahlegg, Amden) noch markante Überreste vorhanden. Der nächste hatte wohl in Quinten, weitere könnten auf der Raischibe (Walenstadt) und auf St. Georg (Berschis) gestanden haben; von diesen ist nichts erhalten.
Lange hatte man geglaubt, die Namen Terzen (von lateinisch tertium, «der dritte») Quarten (quartum, «der vierte») und Quinten (quintum, «der fünfte») hätten diese Befestigungsanlagen bezeichnet. Vermutlich stammen sie jedoch aus einem Urbar (Güterverzeichnis) des Bistums Chur aus dem frühen Mittelalter.

Ruine Gräpplang

Von den früheren Bewohnern der Gegend wissen wir wenig. Sicher war die Gegend immer bewohnt: ein mildes Klima und gute Verkehrswege sorgten für angenehme Lebensumstände. Bei Gräpplang und St. Georg sind bronzezeitliche Siedlungen nachgewiesen, im Wild(en)mannliloch auf der andern Churfirstenseite gibt es Besiedlungsspuren, die gegen 40’000 Jahre alt sein dürften, als die Alpen noch mit einer kilometerdicken Eisschicht bedeckt waren.

Mittelalter und frühe Neuzeit

Die ersten fassbaren Herrscher waren ab dem 7. Jhd. die Bischöfe von Chur.
Chur war das Bistum der Romanen, Konstanz das der Alemannen. Da die Walenseeregion bis nach Schänis hinunter zu Chur gehörte, musste man hier damals romanisch gesprochen haben. Der Name Murg (= Grenze) weist darauf hin, dass die Sprachgrenze bis ins spätere Mittelalter hier verlief. Und auch Walenstadt bekam so seinen Namen: die Alemannen nannten es Vualahastade, das «welsche» Ufer. Und den See nannten sie Vuahalasee, den «See der Welschen». Als «welsch» bezeichen Deutschschweizer noch heute die romanischen Sprachen (zB. Welschland).
Spätestens ab 917 gehörte die Gegend zur Grafschaft Gaster/Windegg, die nach regem Besitzerwechsel 1438 von Glarus und Schwyz gekauft wurde und von diesen bis 1798 gemeinsam verwaltet wurde.
Während der Reformation übernahm das Gaster den neuen Glauben, doch nach der Schlacht bei Kappel zwangen die siegreichen Katholiken 1531 ihre Untertanen in den Gemeinen Herrschaften, wieder zum alten Glauben zurückzukehren.
Die Bekehrung hat gewirkt: Heute gehören die Bezirke Gaster/See und Sargans zu den «schwarzen» Gegenden des Kantons ..

Volkswirtschaft

Wirtschaftlich dominierte dank der riesigen Alpen in der Gegend immer die Viehzucht. Daneben bot der See Arbeit: Da es keine Strassen gab, war der Handel auf den Schiffstransport angewiesen. Das brachte zuverlässig Geld in die Gegend.
Erst im 19. Jhd. begannen Unternehmer die Wasserkraft der Seitentäler für «Maschinen» (Textilfabriken) zu nutzen. Bald stand in jedem Dorf eine Fabrik und bot Arbeitsplätze. Der Zusammenbruch der Textilindustrie ab Mitte des 20. Jhd. führte zu einer Wirtschaftskrise und zu Abwanderung. Erst das Aufkommen des Tourismus bot neue Arbeitsplätze.


(Erd-)Geschichte der Region: Unser UNESCO-Welt-Naturerbe
von Peter Straub

Früher war vermutlich nicht alles besser, wie Nostalgiker glauben. Sicher ist jedoch, dass früher vieles anders war, zumindest die Formen und das Klima in unserer Gegend. Wobei mit früher für einmal sehr viel früher gemeint ist.
Von Bedeutung sind dabei zwei Perioden: die Alpen-”Faltung”* und die Eiszeit**.

Die Entstehung der Alpen

Zwischen rund 55 und 20 Millionen Jahre vor unserer Zeit stiess das damalige Afrika zwei Mal auf das damalige Europa. Die europäische Kontinentalplatte war etwas schwerer und tauchte deshalb unter die afrikanische ab (Subduktion). Die afrikanische schob das Material, welches sich im damaligen Mittelmeer angesammelt hatte, wie ein Pflug vor sich her. Dabei wurde beide Male ein Hochgebige aufgetürmt. Vom ersten ist uns Schutt geblieben (Nagelfluh und Flysch). Die “Überreste” des zweiten Vorstosses bilden die heutigen Alpen.

Diese Gebirgsbildung war vor rund 20 Millionen Jahren abgeschlossen, seither hat sich Afrika wieder zurückgezogen und zwischen den Kontinenten ist ein neues Mittelmeer entstanden. Damals dürfte das Gelände in der Region etwa 1000 m über den heutigen Gipfeln gelegen haben, in den Zentralalpen bis zu 3000 m darüber. Und die Formen waren vermutlich weit sanfter und weniger zerklüftet als heute, es war wohl eher eine Hochebene als ein Gebirge.

Die Eiszeit

Vor rund 2.5 Millionen Jahren begann das Klima verrückt zu spielen. Extreme Kältephasen und Warmzeiten wechselten sich in einem Rhythmus von rund 110’000 Jahren ab. In den Kälteperioden wuchsen Gletscher in die Ebenen hinaus, die Dicke der Eisschilde konnte 2000 m übersteigen. Die Gletscher schrammten mit enormem Druck über den Felsgrund und hobelten so in vergleichsweise kurzer Zeit tiefe Gräben in die Landschaft.
Ein Seitenarm des Rheingletschers floss von Sargans via Ziegelbrücke Richtung Zürcher Oberland und hat ein enges Tal von (damals) mehreren tausend Metern Tiefe hinterlassen: den Walensee. Der am Ende der letzten Vergletscherung vor rund 14’000 Jahren an seiner tiefsten Stelle gegen 400 m tiefer war als heute.

Schraffierte Fläche = See vor ca. 14’000 Jahren – © Verein zum Schutz der Bergwelt

Damals hätte man in Chur ein Boot besteigen und damit bis Konstanz oder Zürich schippern können. Seither wurde viel Geröll in die Täler verfrachtet, vom ehemaligen Riesensee sind nur noch Reste vorhanden.

* Alpen-”Faltung”
Bis vor kurzem wurde eine Gebirgsbildung durch Kontinental-Kollision als Alpen-Faltung und das entstandene Gebirge als Faltengebirge bezeichnet. Das ist heute verpönt: Berge werden nicht gefaltet. Auch wenn es zB. am Sichelchamm durchaus so aussehen kann.
Witzig dabei: Der über 100 Jahre lang weltweit verwendete Begriff ist unweit von hier entstanden, durch (falsch interpretierte) Beobachtungen am Foopass (zwischen Elm und Weisstannen).

** Eiszeit
Grundsätzlich gelten alle Perioden, während denen eine Polkappe vereist ist, als Eiszeit. Somit sind wir derzeit in einer Warmzeit innerhalb der laufenden Eiszeit.

Das UNESCO-Welt-Naturerbe «Tektonikarena Sardona»

Viele Erkenntnisse über die Entstehung von Gebirgen als Folge von Zusammenstössen von Kontinenten wurden in unserer Gegend gemacht. Was ursprünglich als «Falte» (siehe oben) interpretiert wurde, wird heute als «Decke» verstanden. Eine Decke ist ein Gesteinspaket, welches als ganzes über bereits vorher angelagerte Gesteine geschoben wird. So eine Decke kann mehrere tausend Quadratkilometer gross und mehrere tausend Meter dick sein.
Die erste gründlich erforschte Decke war die «Glarner Hauptüberschiebung«, welche mit ihrem roten Verrucano unsere Region prägt. Unsere Region ist für die Geologie so bedeutend, dass sie zum UNESCO-Weltnaturerbe ernannt wurde.