Der Tunnel ‹Quarten› der Autobahn N3 / A3

Wer heute durch eine Röhre des rund 1,3 km langen Quartentunnels fährt, für den ist es nur einer der vielen Tunnels zwischen Weesen und Walenstadt. Dabei hing von seiner rechtzeitigen Fertigstellung die – ohnehin schon fast vier Jahre verzögerte – Eröffnung der Autobahn im November 1987 ab. Und sowohl Bauingenieure wie auch Juristen hatten gut zu tun.

Von Peter Straub

Juristenfutter
In offiziellen Baubeschrieb klagte dessen Verfasser (H. Appenzeller, damaliger Chef Nationalstrassenbüro Kt. St. Gallen), die Erledigung einer Einsprache hätte vier Jahre Zeit erfordert und die Detailprojektierung und der Baubeginn wären im Bereich des Quartentunnels notgedrungen gegenüber den übrigen Abschnitten um diese Zeitspanne verzögert worden.

Was er nicht schrieb: Die Einsprache hatten die Schwestern von Neu-Schönstatt eingereicht.

Bei der ursprünglichen Planung hätten die beiden Röhren auf der Westseite am Lauibach, unmittelbar unter deren Bildungszentrum geendet. Und die offene Querung des Rütibaches im Osten wäre für sie eine zusätzliche Störungsquelle gewesen.

Erst nach einer vier Jahre dauernden Streiterei, die bis vor Bundesgericht führte, bekamen die Schwestern teilweise recht und der Bund und der Kanton St. Gallen wurden verpflichtet, die Rütibachquerung zu überdecken und die Tunnel im Westen um 220 m (Südröhre) bezw. um 165 m (Nordröhre) zu verlängern.

Nachtrag 10.09.2021:
Wie den untenstehenden Quellen zu entnehmen ist, forderten die Schwestern ursprünglich eine Verlängerung um 500 m. Nach einem fast vierjährigen Verfahren (1976 – 1980) wurde eine Verlängerung um knapp die Hälfte beschlossen.
Dabei besuchte das Bundesgericht im Rahmen eines Ortstermins die zukünftige Baustelle. Und selbst der damalige Chef des Eidgenössischen Departements des Innern, Bundesrat Hans Hürlimann, wurde dafür per Helikopter eingeflogen.

Quellen zum Verfahren:

  • Stellungnahme der Baudirektion bezw. des Regierungsrates de Kt. St. Gallen im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht (12.1976); PDF hier
  • Stellungnahme der Baudirektion bezw. des Regierungsrates de Kt. St. Gallen im Verfahren vor dem Bundesgericht (05.1977); PDF hier
  • Beitrag in DRS aktuell vom 13.11.1979 hier (Tunnel noch in Planung)
  • Beitrag in DRS aktuell vom 27.11.1987 hier (Autobahn eröffnet)

Heikles Gelände
Die Beschaffenheit des Untergrunds machte den Bauunternehmen zu schaffen.
Der Hang zwischen See und Oberterzen, den wir als hügelige Landschaft wahrnehmen, ist zum grossen Teil eine Seitenmoräne des Rheingletschers aus der letzten Vereisungsperiode.
Bei den Bauarbeiten fand man Fichtenstämme mit einem Alter von rund 45’000 Jahren. Diese waren in See-Sedimenten eingebettet: Damals muss das Ufer des Walensees auf gut 500 müM gelegen haben!

Da das Material nur einige 10’000 Jahre hier liegt, ist es nur schwach verfestigt und eignet sich äusserst schlecht für den bergmännischen Bau von Tunneln.

Service- und Entlüftungswerk in der Rütibach-Überdeckung

Wo die Tunnel nicht zu tief unter der Oberfläche verlaufen, wurde deshalb im Tagbauverfahren gebaut: Erst wurde eine Schneise gegraben, dann wurde der Tunnel betoniert und anschliessend die Schneise wieder zugedeckt. Gemein dabei war, dass ausgerechnet die erzwungenen Verlängerungen ab dem Lauibach durch anstehenden Fels erstellt werden mussten.

Eine Kuriosität ist dabei die Querung des Rütibaches. Dieses Stück wurde im Tagbauverfahren erstellt, dann wurde darüber ein Hügel aufgeschüttet und ein Wald angepflanzt. Der Bach selber verläuft unter Hügel und Tunnel durch und kommt erst weiter unten wieder an die Oberfläche. Das Wäldchen östlich von Quarten ist somit eine künstliche Landschaft mit dem Zweck, eine Autobahn zu verstecken.

Fotos der Tunnelüberdeckung beim Rütibach:

Weitere Fotos hier.

Quellen zum Bau:

  • Geologie: «Schweizer Ingenieur und Architekt», Band 105 (1987), Heft 47,
    ab Seite 1361; PDF hier
  • Projektbeschrieb: «Schweizer Ingenieur und Architekt», Band 105 (1987), Heft 47,
    ab Seite 1365; PDF hier
  • Mitteilungen von B. Manhart, Mols und weiteren